Alles Werbung - oder was?

Damit München wieder leuchtet, müsse mehr Leuchtreklame zugelassen werden, schrieb ein Feuilleton sinngemäß dieser Tage. Ein überraschend banaler Gedanke.

Brauchen wir tatsächlich noch mehr Reklame im Münchner Stadtbild? Soll die Silhouette Münchens von den Logos großer Konzerne beherrscht werden? Das sind Fragen, über die rechtzeitig nachgedacht werden sollte. Denn wenn der Damm erst einmal gebrochen ist, kann niemand mehr den Schaden reparieren.

Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich gehört Werbung zum städtischen Leben. Nicht nur das Informationsangebot, auch die Ästhetik der Werbung kann eine Bereicherung sein. Großstädte ohne Litfasssäulen und Plakatwände sind heutzutage kaum denkbar.

Im letzten Jahrzehnt wurden in München sogar einige zusätzliche Möglichkeiten eröffnet:

Die Wartehäuschen für Bus und Tram werden durch beleuchtete Werbung finanziert.
Theater und Museen dürfen mit Fahnen und Transparenten auf ihr Programm hinweisen.
Weil verhängte Baugerüste hässlich sind, wurde an solchen Stellen vorübergehend Großflächenwerbung erlaubt.
Damit man an der Fassade ablesen kann, was sich drinnen abspielt, wurde dem Multiplexkino Mathäser und zuletzt beim Erweiterungsbau von Karstadt erlaubt, auf einer Medienwand über das "Programmangebot" zu unterrichten.
Mercedes Benz bekam direkt an der Donnersberger Brücke das größte Schaufenster der Welt genehmigt.
Aber das ist manchen immer noch nicht genug. So möchte der Mathäser plötzlich entgegen allen Absprachen nicht nur Filmhinweise, sondern allgemeine kommerzielle Werbung in bewegten Bildern bringen. Und Mercedes Benz hätte gerne einen Stern auf den Dach.
Dazu sagt die Stadt eindeutig Nein, übrigens auch die Stadtgestaltungskommission, in der fachkundige Architekten und sämtliche Stadtratsfraktionen vertreten sind. Warum? Weil wir das Münchnerische Stadtbild bewahren wollen und kein "Klein-Las Vegas" werden möchten. Und weil die Münchner Silhouette auch künftig aus Türmen, Kuppeln und überragenden Gebäuden bestehen und nicht durch Reklameauftritte beherrscht werden soll.

Um unsere Stadtsilhouette werden wir weltweit beneidet, sie soll kein Werbeträger von Firmenlogos werden. Auch BMW hat sich vor gut 30 Jahren gefügt: Werbung an der Fassade ja, Werbung auf dem Dach nein. Das gilt übrigens auch in New York, wo kein einziger Wolkenkratzer von einem Werbeaufbau "gekrönt" wird. Ist New York finsterste Provinz?

Inzwischen gibt es schon wieder neue Vorstöße: Alle Dienstfahrzeuge der Stadt sollen für Werbemaßnahmen nutzbar gemacht werden, auch alle Kanaldeckel auf dem Bürgersteig. Erholungsgelände sollen mit Werbeschildern eingedeckt werden. In manchen Städten sehen Busse und Trambahnen schon aus wie überdimensionale Zahnpastatuben oder Kaugummipackungen.

Es ist schon sonderbar: Seit die meisten Großunternehmen keine Gewerbesteuer mehr zahlen, wollen sie das Stadtbild umso ungehemmter beherrschen.

Ich meine: Wir sind gut beraten, die völlige kommerzielle Überflutung des Stadtbilds zu unterbinden.

Christian Ude

Oberbürgermeister München

Bayerische Staatszeitung – Archiv
Ausgabe 42
München leuchtet - aber nicht um jeden Preis
München leuchtet mehr denn je. Vor allem die Werbung trägt dazu bei, dass an manchen Plätzen in der Landeshauptstadt die Nacht zum Tage wird. Durch moderne Lichtreklame versuchen die Werbenden, die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu lenken. Doch nicht immer findet diese Form der Außenwerbung die Gegenliebe der Genehmigungsbehörden. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Beleuchtung", betont Thomas Krämer, der als Jurist in der Abteilung Stadtgestaltung in der Münchner Lokalbaukommission arbeitet. Die leuchtenden Wartehäuschen an den Trambahnhaltestellen etwa seien zuweilen durchaus eine Bereicherung. Wichtig seien jedoch Art und Ausmaße der beleuchteten Werbeträger, und da heißt es: Vorsicht vor Präzedenzfällen. Jurist Krämer kann ein Lied davon singen. Gerade im Bereich Werbung werde jedes auch nur halboffene Hintertürchen genutzt. Jüngstes Beispiel dafür: Der Streit um die Fassadenwerbung am Münchner Kinozentrum Mathäser: Kinowerbung hat die Stadt hier unter bestimmten Bedingungen erlaubt, jetzt will der Betreiber die Werbetafeln auch an Fremdfirmen verkaufen. In den vergangenen Jahren, so Krämer, seien die Aufgaben deutlich gewachsen, die Arbeitsweise habe sich verändert. Hatte man früher vor allem mit Ladeninhabern zu tun, deren Eigenwerbung zu prüfen war _ Ladenschilder und Leuchtbuchstaben etwa oder die so genannten "Nasenschilder", _ besteht die heutige Klientel immer mehr aus Unternehmen, die anderen Unternehmen Werbeflächen verkaufen. Dass diese Werbeprofis oft von auswärts auf den Münchner Werbemarkt drängen, häufig aus dem Rheinland, erleichtert den Stadtplanern die Arbeit nicht gerade. Für Thomas Krämer ist es nachvollziehbar, dass Auswärtige nicht immer sensibel mit den Gegebenheiten in der Landeshauptstadt umgehen. Stark vermehrt haben sich die Anfragen und Anträge seit 1997. Die großformatige Plakatwerbung am eingerüsteten Siegestor hat quasi eine neue Ära eingeleitet _ ein Präzedenzfall mit bundesweiter Ausstrahlung: Die Riesenplakate, die es bis dahin nur im Ausland gab, tauchten plötzlich überall auf. Nicht nur in München, sondern in vielen deutschen Städten. Und da man es häufig nicht mehr mit der kommunalen Tochter DSM zu tun hatte, sondern mit freien Wettbewerbern, wurde die Kommunikation zwischen Werbefirmen und Genehmigungsbehörde rauer, die gerichtlichen Klagen häuften sich. Manche Städte haben ihre zuständigen Abteilungen daraufhin personell aufgestockt, in München sei die Abteilung Stadtgestaltung in der Lokalbaukommission sogar leicht geschrumpft auf jetzt sechs Mitarbeiter. Und die sehen sich immer neuen Versuchen der Werbeindustrie gegenüber, bestehende Standards zu umgehen. Gibt man den kleinen Finger, nimmt der Antragsteller gleich die ganze Hand, hat Cornelius Mager, Leiter der Lokalbaukommission, im Fall des Mathäser-Kinopalasts beobachtet. "Wir haben die außergewöhnliche Kinofassade genehmigt, weil sie in der Tradition der Kino-Eigenwerbung steht", nimmt Mager nochmals Bezug auf das prominenteste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Die Kunstform Kino habe den Ausschlag gegeben. Filmausschnitte dürfen aber nicht gezeigt werden: Die Bilder auf den LED-Lichttafeln (Light Emitting Diode) dürfen nur alle 60 Sekunden wechseln, lautete die Auflage. Jetzt aber will der Antragsteller die Tafeln auch für andere Zwecke nutzen, nämlich für nicht genehmigte Fremdwerbung. Auch an Stadtinformationen und Wetterdienst ist gedacht: "Damit lockt er uns aber nicht aus der Reserve", stellt Mager klar, der die ursprüngliche Entscheidung jetzt als Fehler bezeichnet. Vor allem bewegten Bildern steht die Stadt ablehnend gegenüber. Erstes Argument ist hier die Gefährdung des Verkehrs: Die Fahrer würden durch derartiges Straßenkino zu sehr abgelenkt, es komme zu Unfällen. "Am Plärrer in Nürnberg gab es viel mehr Unfälle, als dort so eine Lichttafel hing", weiß Thomas Krämer. Ein weiterer Grund für die Ablehnung: die Architektur soll nicht hinter einer Art flimmernder Scheinwelt zurücktreten dieses "Verunstaltungsargument" werde auch im Fall des Mathäsers angewendet. "Die Leute sollen zu Hause fernsehen, nicht auf der Straße", sagt Mager. Auch für den Einzelhandel stelle die aggressive Fremdwerbung eine Gefahr da: Die unauffälligeren Ladenschilder fielen daneben kaum noch ins Auge. In der Innenstadt konnte sich die Stadt bisher einigermaßen auf die Vernunft der Geschäftsleute verlassen: Zwar hätten auch die Geschäftsleute in der Fußgängerzone bereits Interesse an LED-Tafeln signalisiert. "Angefragt haben fast alle", sagt Jurist Thomas Krämer. Bisher habe man ihnen das aber stets ausreden können: Das Argument "intaktes Altstadtensemble" sei immer noch wirksam. Auf jeden Fall aber das Geldbeutel-Argument: Schließlich liegt es auf der Hand, dass eine einmal genehmigte Tafel nicht die letzte bleiben würde. Wer mithalten will, muss mit immer weiter steigenden Werbekosten rechnen, eine Art "Zoom-Effekt" trete ein. "Wir empfehlen: Schalten Sie eine Anzeigenkampagne in der Zeitung, da haben Sie mehr davon", sagt Mager offen.
Vor allem bewegte Lichtreklame ist Stadtplanern ein Dorn im Auge - Warnung vor "Zoom-Effekt"

 

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